Unsere Welt wird immer digitaler. Mobbing hat sich von der Straße, dem Arbeitsplatz oder der Schule ins Internet verlagert und so ist das Phänomen Cybermobbing entstanden: Nun entwickelt es sich immer mehr zu einem weitreichenden Problem in unserer Gesellschaft.
In unserem dritten Podcast sprechen wir heute mit Uwe Leest, Vorsitzender vom Bündnis gegen Cybermobbing, über Cybermobbing und wie unsere Gesellschaft damit umgeht.
Die Mutation Cybermobbing
Uwe ist bereits seit 10 Jahren Vorstandsvorsitzender des Bündnisses und hat uns zunächst die Problematiken von Cybermobbing dargelegt. Im Gegensatz zum „klassischen“ Mobbing ist Cybermobbing nicht an einen physischen Ort gebunden. Wenn man früher an der Schule Opfer von Mobbingattacken wurde fand die Belästigung spätestens beim Abschluss ein Ende. Mit Cybermobbing hat sich das gesellschaftliche Problem jedoch mutiert und sich dem digitalen Alltag angepasst. Mithilfe des Internets sind Täter nun nicht mehr von bestimmten Orten abhängig und können zu jeder Tageszeit ihre Angriffe ausüben.
Die Anonymität im Internet sieht Uwe als Hauptproblematik. Da User sich auf vielen Plattformen nahezu anonym anmelden können und auch nicht ausweisen müssen, haben Täter keine Konsequenzen zu befürchten. Dabei bleiben die Opfer meist unwissend über die eigentliche Person hinter den Bedrohungen. Dementsprechend haben sie keine konkreten Beweise, mit denen sie den Bedrohungen entgegenwirken könnten und verweilen meist mit Schweigen.
Um die Prävention solcher Attacken zu verstärken gibt es vom Bündnis gegen Cybermobbing ein Programm mit dem Titel:“Wir alle gegen Cybermobbing“. Mit dem Programm werden Lehrer*innen und Schüler*innen an schulischen Einrichtungen über das Thema aufgeklärt und sensibilisiert.
Das Bündnis hat neben dem Präventionsprogram auch wissenschaftliche Studien durchgeführt und veröffentlicht. Ausgehend von der letzten Studie im Dezember 2020 ist das Vorkommen von Cybermobbingfällen in den letzten 3 Jahren auf 17% gestiegen. Bedingt durch die gestiegene Mediennutzung durch Homeschooling, kommen aktuell noch weitere Störphänomene hinzu. In der derzeitigen Situation der Coronapandemie haben sich die Onlinezeiten von Jugendlichen stark erhöht. Gleichzeitig stehen ihnen durch Homeschooling weniger Ansprechpartner zur Verfügung, denen sie Mobbingattacken anvertrauen könnten. So bezeichnet Uwe das Homeschooling als Treiber von Cybermobbing.
Bestrafung für die Täter bleiben durch die Anonymität oft aus, sodass sie ihr Treiben ungestört weiterführen können. Betroffene wissen sich ab einem bestimmten Punkt auch nicht mehr zu helfen und greifen in manchen Fällen auf den Konsum von Drogen zurück, um die Erfahrungen irgendwie zu verarbeiten.
Was geschehen muss
„Wenn man bei rot über die Ampel fährt, wird man wie ein Verbrecher behandelt, aber wenn man jemanden bedroht, belästigt oder vielleicht sogar mit dem Tod bedroht, dann passiert einem relativ wenig bis gar nichts.“
Für Uwe steht fest, dass Cybermobbing besser bekämpft werden kann, wenn die Anonymität im Internet aufgehoben und die Plattformtreiber mehr in die Verantwortung genommen würden. Aus seiner Sicht können Accounts weiterhin anonym betrieben werden, allerdings sollten bei der Anmeldung tatsächliche Daten der Person verlangt werden. Sollte diese Person zu einem Mobbingtäter werden könnte man sie sofort identifizieren und entsprechende Konsequenzen ziehen.
Auch aus strafrechtlicher Sicht, muss sich die deutsche Gesetzgebung ändern: In anderen Ländern wie Österreich gibt es bereits ein Cybermobbing-Gesetz, welches definiert, dass Cybermobbing eine Straftat ist, die zur Anzeige gebracht werden kann und auch Betroffene stärkt, ihr Schweigen zu durchbrechen.
Auch Unternehmen müssen „Sozialhygiene“ betreiben, aufklären und Cybermobbing gezielt angehen, sonst dringt es wie ein Virus immer weiter in die Gesellschaft ein. Es muss in jeder Sozialgemeinschaft, und da gehören sowohl Schulen als auch Unternehmen dazu, eine Sozialcharta bestehen und auch beachtet werden. Regeln und Gesetze gibt es seit jeher, aber um Cybermobbing besser bekämpfen zu können, gilt es diese auch zu beachten und bei Verstößen die Verantwortliche zu ahnden.
Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht gegen Cybermobbing anzugehen, denn wenn Cybermobbing nicht bereits bei Kindern und Jugendlichen spürbare Konsequenzen hat, werden Täter- und Opferprofile im Erwachsenenalter in die Unternehmen weitergetragen.
Wenn ihr noch mehr über die Arbeit des Bündnisses gegen Cybermobbing oder dem Thema allgemein erfahren wollt, das ganze Gespräch mit Uwe Leest findet ihr bei unseren Podcast.