Viele Bestrebungen die Digitalisierung an Schulen möglich zu machen, laufen bereits. Damit das funktioniert hängen aber viele Faktoren zusammen. Ein Kommentar von Wafaa Yalcin
Seit den Sommerferien sind wieder mehrere Wochen vergangen. Die Herbstferien stehen vor der Tür. In den letzten Wochen wurde an den Schulen unterrichtet, als hätten Bemühungen um eine digitale Gestaltung des Unterrichts nie stattgefunden. Haufenweise Zettel wurden kopiert und ausgeteilt und schwere Schulranzen zur Schule und zurück nach Hause geschleppt. Wo bleibt das digitale Versprechen? Es scheint als wäre die „Snooze-Taste“ gedrückt. Alles schlummert…
Digitalpakt Schule in Hessen
Schon im Frühjahr 2021 stattete Hessen als eines der ersten Länder die Schulen großflächig mit Tablets und Laptops für Lehrkräfte aus. 50 Millionen Euro wurden für rund 73.000 Geräte zur Verfügung gestellt – davon 12,8 Millionen Euro aus dem hessischen Sondervermögen, schreibt das Kultusministerium Hessen auf seiner Website. Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz dankte den Städten und Landkreisen für die gute Zusammenarbeit: „Die mit den Schulträgern getroffene Abstimmung stellt sicher, dass Lehrkräfte ebenso wie zuvor viele Schülerinnen und Schüler Endgeräte im Rahmen des DigitalPakts Schule erhalten. Für sie konnten bisher rund 85.000 Geräte beschafft werden.“
Sommerpause
Schon seit dem ersten coronabedingten Lockdown 2020 war klar: Wir müssen den Unterricht digitaler gestalten! Und was passierte im Sommer? Nicht viel… Der Digitalpakt Schule ließ Hoffnung aufkeimen, dass Bildungspolitik und Schulen alles daran setzen würden, dass Unterricht digitaler gestaltet wird. Aber das passierte nicht.
Als Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern im Alter von 7 und 11 kommt es mir vor, als wären alle im „Ruhemodus“. Seit die Schulen den Regelbetrieb wieder aufgenommen haben, findet Unterricht „as usual“ statt: Überwiegend wird frontal unterrichtet, weil Hygienekonzepte nicht erlauben, dass Projekt- und Gruppenarbeiten stattfinden, unzählige Zettel werden kopiert und bearbeitet und schwere Schulranzen in die Schule und wieder nach Hause geschleppt.
Dank den Corona-Impfungen wird es wahrscheinlich keinen flächendeckenden Lockdown mehr geben. Aber sind wir mal ehrlich: Wir wissen doch, dass es zu vielen Quarantäne-Fällen kommen wird, die viele Schüler*innen und Schulklassen wieder nach Hause verbannen. Welche Lösung gibt es für sie? Digitaler Unterricht oder wenigstens eine hybride Unterrichtsgestaltung scheinen in ferner Zukunft zu liegen.
Lehrpläne entrümpeln und Lehrkräfte befähigen
Durch die beiden Lockdown-Phasen sind bei vielen Schüler*innen Lernrückstände entstanden. Wahrscheinlich haben wir uns als Eltern noch nie so sehr wie jetzt gefragt, ob unsere Kinder unter den gegebenen Umständen eigentlich alles lernen, was sie lernen sollten. Aber welche Inhalte genau sollten sie eigentlich lernen und in welchem Umfang? Die Kerncurricula und Lehrpläne geben den Lehrkräften in den Bundesländern vor, was sie „abarbeiten“ müssen.
Durch den Distanzunterricht haben viele Eltern Einblicke in den Lernstoff ihrer Kinder erhalten. Während einige Eltern versuchen die Lernrückstände mit den Kindern in Form von Nachhilfe und Sommercamps aufzuarbeiten, fordern auch einige Eltern, dass Lehrpläne entrümpelt und „verschlankt“ werden.
Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) in München forderte, dass unbedingt zeitnah weitere verbindliche Lehrplaninhalte, die Gegenstand der Abschlussprüfungen sind, gestrichen werden.
Auch meines Erachtens, ist es wichtig, Lehrpläne zu entrümpeln und dadurch Freiräume im Unterricht zu schaffen. Diese Freiräume können es überhaupt erst möglich machen, dass Lehrkräfte, sich mit neuen Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandersetzen. Aber auch der menschliche Aspekt ist wichtig, denn durch geschaffene Freiräume, haben Lehrkräfte wieder mehr Zeit, mit den Schüler*innen in Beziehung zu treten und gemeinsam den digitalen Wandel an Schulen möglich zu machen.